Guerrilla Gardening Poesiefilm

Idee und Regie: Anna Breitenbach & Werner Reichelt
Videografie: Werner Reichelt, Musik: Jonathan Carlile

Booklet zum Film

Bestellung bei Anna Breitenbach

 

Guerrilla Gardening

ist der Film zu einem Gedicht, das vorgeblich agitativ zum Guerrilla Gardening aufruft, zu anarchistischen Aktionen zur Renaturierung der urbanen, kapitalistischen Festungen. Die Stimme spricht aber von Wörtern, die es „einzubringen“ gilt, in die Topographien der Städte, in kleinste erdige Ecken, versteckte Flecken, wie Körner oder Setzlinge/Sätzlinge, die anwachsen, wurzeln, sich weiter verbreiten sollen. „Streuen wir Wörter in die Stadt!“ kann heißen: Bringen wir Poesie in die Stadt! Das kann Kunst sein, ein Zauber oder Ruhe, konzentrierte Bewegung, Verlangsamung, Besinnung … Zeit! – in die harten, geschäftigen Strukturen, die schnellen, automatischen Abläufe, die strebsamen Flüsse von Menschen & Maschinen, die unablässigen Interessen, die Arbeits-Leistungs-Geschwindigkeiten. Zu subversivem Handeln wird aufgerufen, zu nächtlichen Streifzügen in der Stadt, zum unauffälligen Pflanzen und stillen Gärtnern. Die natürlichen Aromen werden, die Kanäle der Stadt nutzend, sich verbreiten, die Flüße zu Zuträgern machen. Sie werden reden statt zu schweigen, reden von den grünen Gebieten, von der Erde (einer HarryPotterschen Parallelwelt zum herrschenden Betrieb?) unter der Stadt.

Wie sich das Gedicht auf der realen Ebene der Guerrilla-Gardening-Aktionen in den großen Städten bewegt und auf einer zweiten metaphorischen, des Aufrufs zur systematischen Infiltration von urbanen Anatomien mit poetischen Botenstoffen – von engagierten Widerstandskämpfern auf den Weg, in den Umlauf gebracht – so läuft der Film auf einer anderen, „gegengeschnittenen“ Spur. Was gemeinhin für Untergrund gehalten wird, Keller, Untergeschosse, Tiefgaragen, mauert doch nur wieder a u f einem lebenden Organismus – und da ist die wirkliche Unterwelt, die wir im Film zeigen, in ihren wunderbaren Auswüchsen, im Penetrieren von Maueröffnungen, Ausfüllen von Lücken – ein lässiges Kultivieren an den Rändern primitiver Stadt-Architektur, Straßenbesetzungen. Der Film zieht die Jacke unter der Jacke aus: Der Oberaktivist, der Guerrillakämpfer ist die Natur, sie drückt sich ständig aus dem Untergrund in die Stadt, dringt ein in deren zementierte Haut.

Da ein Gedicht ein Erzeuger ist mit eigener Bildkraft, will der Film nicht doppeln, illustrieren, was das Gedicht kann und macht. Ein Gedicht ist Werk-Statt und Meister, Bote und Botschaft in einem – das Gedicht hier berichtet von den unbesetzten Gebieten, die es immer noch gibt. Poetisches Land. Der Film erzählt in einem eigenen stream von der Natur, die bebaut, zugebaut, aber nicht beherrscht werden kann. Er zeigt Wachstum, nicht der Wirtschaft, sondern der Landschaft, ihrer natürlichen Kraft und Energie im städtischen Raum. Unermüdlich, fleißig wird die Felsformation City unterspült, das Geschäftsleben untergraben, Durchbrüche, Sprengsätze – der Champignon, der die Asphaltdecke durchstößt, das Moos, der Survival-Spezialist, triumphiert leise auf jedem Beton. Der Film erzählt, durchaus dialektisch, gegen das Gedicht laufend, underground at work, von der „städtischen Ländlichkeit“ – in schnellen Schnitten, hektischen Blicken von einem natürlichen Fluß und Rhythmus, von der Langsamkeit, einer anderen Zeit.

guerrilla gardening

streuen wir wörter in die stadt!
setzen sie an erdigen stellen aus
versteckten ecken wo man sie nicht
sieht sofort abliest entfernt wo
sie sich eingraben können in aller
pflanzlichen heimlichkeit wurzeln
schlagen in urbaner ländlichkeit

da wachsen sie an da werden sie
etwas bleiben und flüstern in den
straßen – im fließenden und stock-
ken-den unablässigen verkehr der
lärmenden geschäftigkeit der laut-
starken gewichtigkeit von mensch
& maschinen: jeden tag noch mehr
weniger zeit die stehenbleibt

im städtischen raum in den ständig
strebsamen strom werden wir ganz
ohne amtliche erlaubnis ja völlig
unberechtigt eigenermächtigt
feinste widerstandspartikel einleiten
natürliche wirkstoffe in die werk-
und wochentage einarbeiten – von
den sonntagen ganz zu schweigen!
verführende aromen angreifend
landesweit verbreiten

von den grünen wegen werden sie
reden und schützenden gärten
von himmelhohen bäumen und
tiefen verschwiegenen wäldern
in denen man immer noch trotz
dichter besiedelung ausweisung
von weiterem baugrund und fort-
schreitender industrialisierung …
in denen man immer noch mal
verloren gehen kann

sie werden ihre blätter im stadtwind
leise reiben den süßen revolutionären
duft vertreiben und erzählen erzählen
vom untergrund auf dem jede stadt
s t e h t

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